Urteil zu Schottergärten

Göttinger Tageblatt vom 26.01.2023:

Können Verwaltungen im Landkreis Göttingen nun gegen Steinwüsten vorgehen?

Dem Kampf gegen leblose Steinwüsten in Vorgärten hat sich so manche Kommune schon länger verschrieben – zumal sie seit 2012 verboten sind. Er ist jedoch mühsam, nicht zuletzt wegen rechtlicher Fragen und ungeklärter Zuständigkeiten. Ein Gerichtsurteil hat vor Kurzem niedersächsischen Verwaltungen den Rücken gestärkt: Demnach dürfen sie die Entfernung solcher Steingärten anordnen. Könnte es den Schottergärten in Göttingen und der Region nun an den Kragen gehen?

In Göttingen eher nicht, wo die Stadt auf Aufklärung statt auf Kontrollen setzt. „Laufende oder ruhende Verfahren gibt es in Göttingen zu diesem Thema nicht“, sagt Stadtsprecher Dominik Kimyon. Man motiviere Gartenbesitzer, „auf Schottergärten als Biodiversitätswüsten zu verzichten“. Die Mitarbeiter wiesen Bauantragssteller darauf hin, dass die nicht überbauten Flächen Grünflächen sein müssen. Mancherorts gäben Bebauungspläne zudem vor, dass Vorgärten zum Beispiel mindestens 60 Prozent aus Vegetationsflächen bestehen müssen.

Während die Landeshauptstadt Hannover im vergangenen Sommer angekündigt hatte, eine Art „Schottergarten-Polizei“ einzurichten, gibt es in Göttingen keinerlei Überlegen einer regelmäßigen Kontrolle. „Das ist schon rein personell nicht zu leisten“, sagt Kimyon.

Andere niedersächsische Kommunen gehen dagegen aktiv auf Besitzer von Schottergärten zu: Die Stadt Lehrte in der Region Hannover verschickte vor Kurzem Briefe an sie. Darin weist die Verwaltung auf die rechtliche Lage hin und fordert die Hauseigentümer auf, ihren Garten freiwillig ökologischer umzugestalten. Seit elf Jahren gibt die Niedersächsische Bauordnung vor, dass nicht bebaute Grundstücksflächen Grünflächen sein müssen. Schottergärten sind de facto also in Niedersachsen verboten, dennoch gibt es immer noch etliche.

Nun hat das Oberverwaltungsgerichts Lüneburg ein möglicherweise richtungsweisendes Urteil gesprochen. Geklagt hatten die Eigentümer eines Einfamilienhauses in Diepholz. Sie wollten sich dagegen wehren, dass die Stadt die Entfernung von 50 Quadratmeter großen Kiesbeeten im Vorgarten angeordnet hatte. Der Argumentation der Kläger, dass es sich dabei wegen einzelner Pflanzen um Grünflächen handele, folgte das Gericht nicht. Anfechten können sie das Urteil nicht.

Schottergärten: Landkreis Göttingen verweist auf Gemeinden

Außerhalb von Göttingen ist die Sachlage eine andere: Gemeinden mit weniger als 30 000 Einwohnern übernehmen die Kontrolle von Vorgaben der Niedersächsischen Bauordnung normalerweise nicht selbst. Diese Aufgabe liegt dann in der Regel beim Landkreis.

Im Kreishaus wiederum verwies man in dieser Frage stets auf die Gemeinden. Im August vergangenen Jahres wollte sich der damalige Kreisverwaltungssprecher Ulrich Lottmann zu der Thematik nicht konkreter äußern. „Einen Freifahrtschein gibt es nicht“, sagte Lottmann in Richtung der Eigentümer von Schottergärten. Die Bauaufsicht nehme weiterhin Hinweise auf und prüfe diese „im Rahmen des Möglichen“. Priorität hätten aber auch angesichts der angespannten Personalsituation andere Aufgaben.

Noch 2020 vertrat der Landkreis die Ansicht, dass die Niedersächsische Bauordnung ein Vorgehen der Behörden gegen die Schottergärten nicht hergebe. Der entsprechende Passus sei „rechtlich zu unscharf, um hier als untere Baubehörde rechtssicher vorzugehen“, sagte damals Landkreissprecherin Andrea Riedel-Elsner. Daher reagiere die Bauaufsicht des Landkreises nur auf Beschwerden.

So oder so: Eine Haltung haben auch viele der kleineren Gemeinden im Landkreis bezogen. Allen voran Duderstadt. Die Stadt „spricht sich ausdrücklich gegen das Anlegen von Schottergärten aus“, stellt Verwaltungssprecherin Svenja Eckert klar. Das zeige auch Wirkung: „Nach unserer Kenntnis ist die Anzahl an Schottergärten in Duderstadt nur sehr gering.“ Das OVG-Urteil bestätige die Position der Stadt.

Duderstadt: Nur wenige Schottergärten

Duderstadt versucht nach Angaben Eckerts, vor allem durch Beratung und Prävention die Menschen in der Stadt dazu zu ermuntern, blühende Gärten anzulegen. Dafür würden unter anderem Flyer und Saatgutmischungen kostenlos verteilt – zum Beispiel bei jeder Baugenehmigung, die erteilt werde, aber auch über Ortsbürgermeister, Schulen und Vereine. Obwohl eine Festsetzung zum Ausschluss von Schottergärten nicht nötig wäre – eben weil Schottergärten laut Niedersächsischer Bauordnung nicht zulässig sind –, habe Duderstadt sie in jüngeren Bebauungsplänen aufgenommen.

Drängt sich nicht bei einem solchen Engagement der Kommune auch eine Kontrolle auf? Nein, erklärt Eckert: „Da es sich bei den im Bereich der Stadt Duderstadt angelegten Schottergärten nur um untergeordnete kleinere Flächen handelt, ist eine systematische Überprüfung aller privaten Gärten wegen des groben Missverhältnisses zwischen Personalaufwand und der Auswirkung auf das Klima zunächst nicht vorgesehen.“ Entsprechend gebe es auch keine Fälle, in denen in Duderstadt Schottergärten auf Einschreiten der Verwaltung hin umgestaltet wurden. Würde sich aber die Politik für strengere Kontrollen aussprechen, wären die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gegeben, so Eckert weiter.

Engagiert gegen Schottergärten zeigt sich der Flecken Bovenden. Seit Frühling 2019 werde in Bebauungsplänen festgehalten, dass Schottergärten nicht gestattet sind, erklärt Gemeindebürgermeister Thomas Brandes (SPD) – und das gelte auch für „alle zukünftigen Bebauungspläne sowie Bebauungsplanänderungen“. Das Urteil des OVG bestätige die Auffassung der Bovender Ratspolitik und Verwaltung.

Flecken Bovenden sieht Verbot bestätigt

Anders als in Göttingen oder Duderstadt geht Bovenden aber noch einen Schritt weiter: „Da in den genannten Gebieten jetzt die ersten Gärten angelegt wurden, wird in den nächsten Wochen eine erste Kontrolle durch einen fachkundigen Mitarbeiter durchgeführt“, kündigt Brandes an. Würden dabei Verstöße festgestellt, werde man die Kreisverwaltung als Bauordnungsbehörde informieren, „damit diese im Rahmen ihrer Befugnisse tätig werden kann, also der Eigentümer seinen Garten umgestalten muss“. Gleichzeitig setze man im Flecken weiter auf Aufklärung.

Rosdorf: Thema spiele keine große Rolle

Etwas weicher sind die Formulierungen in anderen Gemeinden. „Wir streben an, dass keine neuen Schottergärten entstehen“, teilt aus Rosdorf Gemeindebürgermeister Sören Steinberg (SPD) mit. Das Thema habe aber „noch keine ganz große Rolle in der Gemeinde gespielt“. Das Lüneburger Urteil über den Diepholzer Schottergarten aber „bestärkt unsere Skepsis“.

„Bisher versuchen wir, nur bei der Planung von Neubaugebieten zu steuern“, so Steinberg. Das solle sich aber ändern: „Langfristig werden wir auch prüfen, wie wir in den älteren Baugebieten eine bessere Steuerung hinbekommen.“ Einzelne Schottergärten seien aber auch schon von den Eigentümern umgebaut worden – Maßnahmen vonseiten der Verwaltung seien in keinen konkreten Einzelfällen ergriffen worden.

Sind alle Schottergärten gleich? „Kiesgarten nach alpinem Vorbild sinnvoll“

In weiteren Gemeinden im Landkreis wird die Situation ähnlich geschildert. Für die Stadt Dransfeld berichtet der Leiter des Bau- und Ordnungsamtes, Dirk Aue, dass Schottergärten in textlichen Festsetzungen der aktuell aufgestellten Bebauungspläne untersagt werden. Dabei gehe man aber differenziert an die Bewertung von Einzelfällen, so Aue: „Die Anlegung eines Kiesgartens nach alpinem Vorbild ist ökologisch sinnvoll.“ Es müsse auch gefragt werden, wann ein Eingriff in Privateigentum überhaupt zu rechtfertigen sei.

Auf eine eigene Festschreibung eines Schottergarten-Verbots verzichtet die Gemeinde Friedland nach Angaben der Fachbereichsleiterin Bauen und Finanzen, Elke Löding. Sie appelliert aber: „In Zeiten von Klimawandel und stark zurückgehender Insektenvielfalt sollten diese zusätzlichen Versiegelungen unbedingt unterbleiben.“ Die Gemeinde habe dafür etwa Artikel im Gemeindeblatt veröffentlicht. Ob der Landkreis bei Verstößen tätig geworden sei, sei ihr nicht bekannt.

Schottergärten im Landkreis Göttingen: Werbung, aber keine Zwangsmittel

Die Gemeinde Landolfshausen, teilt die Verwaltung mit, „wirbt im Bedarfsfall für entsprechende Anpassungen, verwendet aber keine behördlichen Zwangsmittel“. Diese, so die Befürchtung, könnten auch ins Gegenteil ihres Ziels umkippen und etwa zur Pflasterung von Flächen führen.

„Eine politische Diskussion zu diesem Thema hat bisher nicht stattgefunden“, berichtet Gemeindebürgermeister Holger Frase (SPD) aus Adelebsen. Das liege aber auch daran, dass sich die Frage nach Schottergärten in ländlich geprägten Gemeinden erfahrungsgemäß nicht wirklich stelle. Angesichts des OVG-Urteils bleibe jetzt aber abzuwarten, ob eine Fraktion das Thema in den Gemeinderat einbringen könnte. Denn: „Grundsätzlich hätten wir die Möglichkeit, im Bebauungsplan Festsetzungen zu tätigen.“ In anderen Fragen sei das in Adelebsen auch schon geschehen, etwa sei eine vorgeschriebene Fassadenbegrünung von 15 Prozent vorgesehen.