Was für eine Chance!
Es geht um die Zukunft des Fleckens…“ schreibt Ilona Springer in einer Stellungnahme auf Crossiety. Ja, das stimmt – mit der Kommunalwahl am 12.9. werden die Weichen gestellt für die Entwicklung unserer Gemeinde in den nächsten Jahren, und diese hängt ganz sicher nicht nur von der Zahl der errichteten Windkraftanlagen im Umkreis ab.
Nachdem – zu Recht – der Klimawandel inzwischen in aller Munde ist, droht ein anderer grundlegender Veränderungsprozess völlig aus dem Blick zu geraten: Der demographische Wandel. Unsere Gesellschaft wird immer älter. Wir werden immer älter. Und diese Entwicklung ist gerade in ländlichen Regionen wie Adelebsen deutlich zu spüren. Auf der einen Seite müssen wir alles tun, um unsere Gemeinde für junge Familien attraktiv zu machen und der weiteren Abwanderung junger Menschen in die Städte etwas entgegen zu setzen. Genauso wichtig ist aber auch die Frage der Lebensqualität der Älteren und der Menschen mit Unterstützungsbedarf.
„Das gute Zusammenleben aller Generationen und Gerechtigkeit zwischen ihnen wird in einer alternden Gesellschaft zentraler. In ihr braucht es neue Formen des Zusammenlebens und eine altersgerechte und inklusive Infrastruktur. Das wirkt Einsamkeit entgegen und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Im Zentrum sollte nicht nur die Versorgung älterer Menschen stehen, sondern auch ihre Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben.“(Grundsatzprogramm Bündnis 90/Die Grünen)
Teilhabe ist nicht nur eine Frage der Mobilität. Klar, wir brauchen Barrierefreiheit und einen seniorengerechten ÖPNV. Noch wichtiger aber sind lebendige nachbarschaftliche Strukturen, die Vereinsamung und Isolation entgegen wirken. Der Seniorenbeirat hat hier in der Vergangenheit schon wichtige Impulse gegeben und z.B. den Treffpunkt in Barterode durchgesetzt. Aber eine gute Vernetzung und individuelle Angebote in allen Ortsteilen sindehrenamtlich nicht zu leisten. Ich denke, die ältere Generation sollte es uns wert sein, analog zum Kinder- und Jugendbüro, eine hauptamtliche Stelle einzurichten, die sich um die Senior*innen und ihre Bedürfnisse kümmert und entsprechende Angebote entwickelt.
Meine Generation, die heute 50 – 70jährigen, wird sich weitaus weniger darauf verlassen können, im Alter in familiären Strukturen aufgefangen zu werden. Auch heute schon kommen Familien schnell an ihre Grenzen, spätestens wenn zunehmender Pflege- und Unterstützungsbedarf besteht. Mit dem Pflegedienst, der Tagespflege, dem Betreuten Wohnen und dem Alma-Louisen-Stift bietet die Diakonie Adelebsen alle klassischen Formen professioneller Unterstützung an. Aber, zum einen sind gerade bei den ambulanten Hilfen die Plätze rar, zum anderen haben zukünftige Alte möglicherweise auch andere Vorstellungen eines selbstbestimmten Lebens, dann wenn es allein nicht mehr geht.
Gemeinschaftliche Wohnformen wie Alten- und Pflegewohngemeinschaften, aber auch inklusive generationsübergreifende Wohnprojekte könnten diese Lücke füllen. Mit Freunden und Bekannten zusammenzuleben, gemeinsam den anfallenden Unterstützungsbedarf zu finanzieren, könnte zukünftig familiäre Strukturen ergänzen oder ersetzen. Auch professionell betriebene Pflegewohngemeinschaften bieten den Bewohnern mehr Selbstbestimmung und Einflussmöglichkeiten als ein traditionelles Heim. Hier leben i.d.R. 8 – 12 Personen mit Unterstützungsbedarf in einer großen Wohnung zusammen, jeder hat sein Zimmer als privaten Rückzugsort und es gibt eine große Gemeinschaftsküche als Hauptaufenthaltsraum.Betreuungskräfte sind rund um die Uhr da, ein ambulanter Pflegedienst kommt nach Bedarf.
Das Land Niedersachsen fördert mit dem Programm „Wohnen und Pflege im Alter“ sowohl Bauvorhaben als auch Sach- und Personalkosten zum Aufbau solcher alternativen Projekte und ambulanter Strukturen. Der Bedarf ist schon jetzt groß und wird wachsen.
Und mitten in Adelebsen gibt es eine Fläche, die sich geradezu anbietet für ein solches Projekt: Das Gelände der ehemaligen Alber-Schweitzer-Schule. Eine Eissporthalle soll dort nicht mehr entstehen, stattdessen ist jetzt geplant, Wohnbebauung zu ermöglichen. Was für eine Chance!
Im Zentrum des Fleckens könnte ein Bürgerzentrum entstehen, barrierefrei und ausreichend groß um gemeinschaftliches Wohnen unter einem Dach mit einem künftigen „Seniorenbüro“, einem offenen Treffpunkt z.B. für einen gemeinsamen Mittagstisch, einen Veranstaltungsraum (Warum nicht die alte Aula der Schule?) und Räumen für Nachbarschaftsinitiativen, usw. zu ermöglichen. Auch ein Palliativ- oder Hospizbereich wäre denkbar, angemessene Unterstützung für die letzte Lebensphase bis hin zum Tod.
Die Gemeinde könnte einen entsprechenden Um- bzw. Neubau selbst in die Hand nehmen und später die Räumlichkeiten an die verschiedenen Nutzer vermieten. Oder aber sie müsste für die Umsetzung einen geeigneten Investor/Bauträger gewinnen. Interessierte Bürger sollten in die Planung und Ausgestaltung einbezogen werden. Die Freie Altenarbeit Göttingen und die Demographiebeauftragte des Landkreises würden diesen Prozess sicher begleiten. Vielleicht findet sich darüber eine Gruppe, die ein gemeinschaftliches Wohnen anstrebt. Oder auch ein Träger für eine professionell betriebene Pflegewohngemeinschaft. Ganz sicher würden solche Räumlichkeiten nicht lange leer stehen.
Das Gelände und bestehende Gebäude der ehemaligen Schule ist zu schade für weitere klassische Mietwohnungen oder Einfamilienhäuser. Wir sollten die Chance nutzen, um Adelebsen auch für den demographischen Wandel zukunftsfähig zu machen!
Andrea Ströbele, Wibbecke 23.06.2021